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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: 11 U 344/01
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 87
HGB § 87a Abs. 2
BGB § 812
Im Streitfall hat der Handelsvertreter darzulegen und zu beweisen, das überzahlte Provisionsvorschüsse ihm als verlorene Zuschüsse des Arbeitgebers verbleiben durften.
11 U 344/01

Verkündet am 27. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung das Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. November 2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.818,80 € (= 19.203,90 DM) nebst 11,5 % Zinsen seit dem 21. November 2000 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 10 % und hat der Beklagte 90 % zu zahlen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer keiner der beiden Parteien übersteigt 20.000 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, an die Klägerin Vorabprovisionen und Inkassobeträge zurückzuzahlen.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingereichten Berufung.

Mit dieser macht er geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er als Beklagter die Darlegungs- und Beweislast dafür trage, dass er die über die verdienten Provisionen hinaus vereinnahmten Zahlungen als verlorene Zuschüsse behalten dürfe. Das Landgericht habe dies zu Unrecht auf vermeintliche Widersprüche zwischen seinen, des Beklagten, Angaben in diesem Verfahren und in einem gegen ihn geführten Strafverfahren hergeleitet. Auch aus anderen Gründen ergebe sich eine derartige Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht.

Im Übrigen sei er aber sogar in der Lage zu beweisen, dass er, der Beklagte, den streitigen Betrag mit Rechtsgrund erhalten habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe gegenüber der Ehefrau des Beklagten, als dieser sich über die unbefriedigende Einkommenssituation beschwert habe, erklärt, ihm liege viel an der Mitarbeit des Beklagten und deshalb sei er dazu bereit, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Kurze Zeit später sei es dann zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und ihm, dem Beklagten, gekommen, bei welchem keine dritten Personen zugegen gewesen seien. Der Geschäftsführer der Klägerin habe bei diesem Gespräch ausgerechnet, dass durch den Minderverdienst von monatlich ca. 1.000 DM bis Ende 1999 ein Gesamtminderverdienst beim Beklagten von 20.000 DM auflaufen werde. Natürlich sei dieser Betrag gegriffen gewesen und Gegenstand einer gegenseitigen gütlichen Einigung. Das Ende des Jahres 1999 sei gewählt worden, weil der Geschäftsführer der Klägerin gemeint habe, nach etwa 5 Jahren müssten diejenigen Nachteile, die der Beklagte durch seinen Vorgänger ####### in Kauf zu nehmen hatte, ausgeglichen seien. Dies habe dem Beklagten eingeleuchtet. Man sei deshalb übereingekommen, dass der Beklagte berechtigt sein sollte, die Summe von 20.000 DM, auf die man sich verständigt gehabt habe, monatlich anteilig bis zu ihrer vollen Ausschöpfung abzurufen. Die Art der Berechnung habe so vonstatten gehen sollen, wie dies auf Seite 5 der Klageerwiderung geschildert sei. Hierfür stehe der Beklagte zur Parteivernehmung zur Verfügung, welche gemäß § 448 ZPO möglich sei, weil durch die Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin, die seine Ehefrau bekunden könne, ein gewisser Beweisvorsprung für das Vorbringen des Beklagten gegeben sei.

Die im Wege des Inkassos vereinnahmten Beträge in Höhe von 682,21 DM verweigert der Beklagte auszukehren, weil ihm noch Provisionen zustünden. Für November und Dezember 1999 habe er, der Beklagte, noch Arbeitsberichte eingereicht, die zu einem Provisionsanspruch in Höhe von 6.277,43 DM geführt hätten. Einen Vorabscheck habe er für diese Monate nicht erhalten. Stattdessen habe die Klägerin absprachewidrig den verdienten Provisionsbetrag von der vermeintlichen Überzahlung in Abzug gebracht. Dementsprechend habe er, der Beklagte, noch einen Provisionsanspruch in Höhe von 6.277,43 DM, dem er die vereinnahmten Inkassobeträge im Wege der Aufrechnung entgegenstelle.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie bestreitet das Vorbringen des Beklagten zu der Einigung und erweitert und vertieft im Übrigen ihr erstinstanzlichen Vorbringen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten sowohl Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Provisionsvorschüsse als auch auf Auskehrung der vom Beklagten nicht an sie ausgekehrten vereinnahmten Inkassobeträge. Lediglich die von der Klägerin beanspruchten Zinsen vor Anmahnung der Rückzahlung schuldet der Beklagte nicht.

1. Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Provisionen hat die Klägerin aus §§ 87, 87 a Abs. 2 HGB i. V. m. § 812 BGB.

Aus § 87 a Abs. 2 HGB folgt, dass der Handelsvertreter diejenigen Provisionsvorschüsse, die er erhalten hat, denen er aber keine provisionspflichtigen Vertragsabschlüsse gegenüber stellen kann, an den Prinzipal zurückerstatten muss. Diese Rechtsfolge, die im Gesetz ausdrücklich nur für solche Provisionsvorschüsse angeordnet ist, die einzelnen Vertragsabschlüssen, von denen noch nicht feststeht, ob sie Bestand haben werden, zugeordnet sind, gilt über § 812 BGB auch für solche Provisionsvorschüsse, die dem Handelsvertreter - wie im Streitfall - pauschal vorab ohne Anknüpfung an konkrete Vertragschancen gewährt werden.

In einer solchen Konstellation hat, wenn der Handelsvertretervertrag nichts anderes bestimmt, der Handelsvertreter darzulegen und zu beweisen, dass, abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 87 a Abs. 2 HGB er etwaige vorab gezahlte Pauschalbeträge, denen konkrete Provisionsverdienste nicht gegenüber stehen, als verlorenen Zuschuss des Arbeitgebers behalten darf. Dementsprechend hat das Landgericht zumindest im Ergebnis die Darlegungs- und Beweislast im Streitfall richtig gesehen.

Demgemäß hatte im Streitfall der Beklagte darzulegen und zu beweisen, dass die überzahlten Provisionsvorschüsse ihm als verlorene Zuschüsse des Arbeitgebers verbleiben durften. Dass dem nicht so ist, vermag der Senat ohne Beweisaufnahme festzustellen. Für eine etwaige Abrede, die auch der Beklagte nur als mündliche Abrede behauptet, spricht nicht die unter das Zeugnis des Ehefrau gestellte Tatsache, wonach der Geschäftsführer der Klägerin ihr gegenüber erklärt haben soll, ihm liege viel an der Mitarbeit des Beklagten und er sei dazu bereit, einen finanziellen Ausgleich für Minderverdienste auf Grund der 'Mitnahme' von Kunden durch den Vorgänger des Beklagten im Handelsvertreterbezirk zu leisten. Diese angebliche Äußerung des Geschäftsführers der Klägerin ist viel zu pauschal, um darauf schließen zu lassen, dass der Geschäftsführer der Klägerin zugesagt haben soll, dem Beklagten bis Ende 1999 einen verlorenen Zuschuss in Höhe von bis zu 20.000 DM geben zu wollen. Hinsichtlich des Betrages der Höhe nach und hinsichtlich der Art und Weise der Gewährung eines konkreten Vorteils ist die in das Wissen der Ehefrau des Beklagten als Zeugin gestellte Tatsache ohne konkrete Substanz. Hinzu kommt, dass die Parteien monatlich über die Provision abgerechnet haben und in den einzelnen Monatsabrechnungen jeweils Vorabzahlungen ausgewiesen sind, und diese in Relation zu der verdienten Provision gesetzt worden sind und das Ergebnis sodann als 'Überzahlung' bezeichnet ist. Schon der Begriff der Überzahlung deutet daraufhin, dass es sich dabei nach landläufigem Verständnis nicht um einen Betrag handelt, der dem Beklagten endgültig verbleiben sollte. Ebenso spricht die Tatsache, dass die Klägerin für die 'Überzahlung' jeweils Zinsen berechnet hat, ohne dass der Beklagte sich dagegen gewandt hätte, dagegen, dass dem Beklagten die 'Überzahlung' verbleiben sollte.

Dementsprechend besteht kein Beweis- oder Überzeugungsvorsprung zu Gunsten des Beklagten, der es rechtfertigen könnte, über das angebliche Gespräch, das er mit dem Geschäftsführer der Klägerin unter vier Augen geführt haben will, den Beklagten als Partei zu vernehmen, wie er es anregt.

Folglich ist die Berufung hinsichtlich des schlichten Überzahlungsbetrages, den das Landgericht der Klägerin aus überzahlten Provisionen zugesprochen hat, zurückzuweisen.

Allein hinsichtlich der in die Überzahlungsbeträge eingeschlossenen Zinsbeträge hat die Berufung des Beklagten Erfolg. Auf diese Zinsbeträge, die die Klägerin in ihrer unter dem 6. März 2001 als Anlage A 1 zur Klagebegründung eingereichten Aufstellung zusammengefasst hat und die sich auf 2.363,69 DM addieren, hat die Klägerin keinen Anspruch. Soweit sie behauptet, ab September 1998 sei vereinbart worden, dass die Überzahlungsbeträge zu verzinsen seien und ein banküblicher Zins zu zahlen sei, ist dieser Sachverhalt nicht hinreichend substantiiert. Es ist nicht ersichtlich, wieso von dem angeblichen Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten eine dafür benannte Zeugin namens ####### Kenntnis erlangt haben soll, wenn es sich doch um ein Vieraugengespräch gehandelt hat. Auch ist die Höhe des angeblich vereinbarten Zinssatzes so schwammig formuliert, dass daraus eine Forderung nicht herzuleiten war. Dementsprechend hat der Senat die summierten Zinsbeträge, soweit sie in die Klagforderung eingeflossen sind, aus derselben herausgerechnet.

Soweit die Klägerin allerdings verlangt, dass der Beklagte den ihr zustehenden Hauptbetrag mit 11,5 % seit dem 21. November 2000 zu verzinsen habe, weil ihm bis zu diesem Tage eine letzte Nachfrist gesetzt worden sei, und sie selbst 11,5 % Zinsen für eine Kontoüberziehung in Höhe der Klagforderung zahlen müsse, schuldet der Beklagte Zinsen in dieser Höhe als Verzugszinsen, nachdem die Klägerin den Zinssatz mit dem in Ablichtung GA 42 zu den Akten gereichten Schreiben ihrer Bank belegt hat.

2. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin - wie unstreitig geschehen - berechtigt war, gegen den von ihr ermittelten Überzahlungssaldo, den der Beklagte hinsichtlich seiner betragsmäßigen Richtigkeit nicht angreift, die Provisionen zu verrechnen, die dem Beklagten für die Monate November und Dezember 1999 in Höhe von 6.277,43 DM noch zustanden. Dementsprechend kann der Beklagte mit diesem Provisionsbetrag, der bereits von der Klägerin berechtigt verrechnet worden ist, nicht mehr aufrechnen, weil dem Beklagten diese Forderung nicht mehr zusteht. Folglich ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die der Höhe nach unstreitigen Inkassobeträge auszukehren.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf § 92 Hbs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten sowie auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

Für die Zulassung der Revision gab der Sachverhalt keinen Anlass; auch die Parteienvertreter haben nichts aufgezeigt, was insoweit zu anderer Entscheidung hätte Anlass sein können.

Ende der Entscheidung

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